Weiche unterliegt dem neuen Spitzenreiter

Am vierten Spieltag der Regionalliga Nord musste der SC Weiche Flensburg 08 im Manfred-Werner-Stadion gegen den VfV Borussia 06 Hildesheim seine erste Saisonniederlage hinnehmen. Der bisherige Spitzenreiter unterlag am Mittwochabend dem neuen Tabellenführer mit 1:3 (1:1)-Toren. Inmitten der „englischen Woche“ sahen 946 Zuschauer, darunter gut 20 stimmgewaltige Hildesheimer, bei schwül-warmen Temperaturen eine zumindest streckenweise „wilde“ Partie, die auch einen gänzlich anderen Verlauf hätte nehmen können. Während Gäste-Trainer Markus Unger nach dem Spitzenspiel den Hut vor seinen Jungs ziehen wollte und davon sprach, dass sein persönlich erster Sieg gegen Flensburg nicht unverdient gewesen sei, zeigte sich unser Verantwortlicher Thomas Seeliger enttäuscht, um jedoch sachlich zu analysieren: „Wenn Du die eigenen Chancen nicht nutzt und so viele Fehler machst, dann darfst Du Dich auch nicht beklagen, wenn Du am Ende das Spiel verlierst. Hildesheim hat es gut gemacht, keine Frage, aber wir haben heute das nötige Salz dazugegeben, dass wir das Spiel verloren haben.“

Im Vergleich zur Startelf vom vergangenen Freitag, als unsere Mannschaft bei Hannover 96 II mit 3:0 gewann, gab es eine Änderung. Für den angeschlagenen René Guder lief Jonah Gieseler von Beginn an auf. Verletzungsbedingt musste Mitte der zweiten Halbzeit Tobias Fölster passen. Für ihn kam Bjarne Schleemann. Im Verlauf der zweiten Halbzeit wurden außerdem Torben Rehfeldt, Kevin Schulz, Patrick Thomsen und Tobias Ryborg eingewechselt. Dem 20er Kader für diese Partie gehörten des Weiteren Torhüter Philip Østerbæk und Noel Kurzbach sowie erstmals die beiden Zugänge Torben Marten und Calvin Ogara an.

Während auf Flensburger Seite mit Kapitän Dominic Hartmann ein Ex-Hildesheimer in der Anfangsformation stand, lief auf der Gegenseite mit Jannis Pläschke ein ehemaliger Weiche-Spieler auf. Die ersten Akzente setzten jedoch andere, und zwar Florian Meyer, der auf Rechtsaußen Jonah Gieseler schickte, dessen Flanke Christopher Kramer, schon etwas in Rücklage, zur 1:0-Führung oben links einköpfte (14.). Bis dahin hatte es keinerlei Höhepunkte gegeben. Und auch in der Folge zog die Partie noch nicht wirklich an. Niclas Nadj zielte mit Flachschuss links vorbei (18.). Dann aber war es mit der Zurückhaltung in den Strafräumen auf beiden Seiten allmählich vorbei. Eine Kopfballverlängerung von Christopher Kramer erreichte Niclas Nadj, der allein auf das Gästetor zusteuern konnte, den Ball aber am Kasten vorbeisetzte (23.). Es war die erste dicke Chance, um auf 2:0 zu stellen. Dann meldeten sich die in vielen Zweikämpfen geschickt agierenden Hildesheimer an. Zunächst bereitete der Freistoß von Yannik Schulze SC-Torhüter Jesper Heim keine Probleme (24.). Unser Schlussmann parierte danach zwei Schüsse des beweglichen Thomas Sonntag sicher: erst die Direktabnahme vom Strafraum (26.), dann den Flachschuss, wobei der Hildesheimer mit seinem Sololauf die Weiche-Abwehr nicht gut aussehen ließ (27.). Das waren noch nicht die ganz großen Chancen der weitgereisten Gäste. Davon gab es aber mindestens eine weitere auf der Gegenseite. Bei einem Konter trieb Dominic Hartmann die Kugel durch das Mittelfeld. Er legte sie rechts zu Patrick Herrmann raus, der sie nach innen passte, wo Niclas Nadj und Christopher Kramer bestens postiert waren. Doch Niclas Nadj blieb an Torhüter Antonio Brandt hängen (31.) – was für eine Möglichkeit! Und der ehemalige St.-Paulianer scheiterte abermals aus guter Position am gegnerischen Schlussmann, nachdem er sich selbst den Ball an der Mittellinie erkämpft und nach langem Sprint auf Dominic Hartmann gespielt hatte. Unser Kapitän hatte aus spitzem Winkel abgezogen, Hildesheim nur unzureichend geklärt, Jonah Gieseler abgelegt und Niclas Nadj dann aus sieben Metern halblinks geschossen (34.). Als unsere im Abschluss derart glücklos agierende Nummer 40 wenig zuvor doch einmal getroffen hatte, war die Fahne des Assistenten wegen einer knappen Abseitsstellung oben (33.).

Direkt aus der vergebenen Möglichkeit resultierte letztlich der Ausgleich. Moritz Göttel wurde nach dem folgenden Abschlag des Torhüters von Weiche-Abwehrspielern nur begleitet und auf halblinks immer noch nicht angegriffen. Er zog kraftvoll vom Strafraum ab, und im kurzen Eck schlug die Kugel zum 1:1-Ausgleich ein (34.). Es war der bereits fünfte Saisontreffer der Hildesheimer Nummer 9. Nur selten bekommt man selbst im Fußball so schnell die Quittung für eigene vergebene Torchancen. Der Ausgleich jedenfalls hinterließ durchaus Wirkung, wenngleich unsere Mannschaft vor der Pause nochmals Pech hatte, als Dominic Hartmann nach schönem Solo über halblinks nur das rechte Lattenkreuz traf (37.). Auf der Gegenseite zielte Silas Steinwedel aus 19 Metern deutlich über das Tor (38.), während Jesper Heim den Distanzschuss von Moritz Göttel entschärfte (40.). So ging es mit einem 1:1 in die Pause. Zwar hatten die Hildesheimer frech aufgespielt und durchaus Schwächen in der Flensburger Abwehr aufgezeigt, aber der letztjährige Vizemeister, der aufgrund der klaren Tormöglichkeiten hätte führen müssen, betrieb halt – ganz anders noch als vor wenigen Tagen beim 3:0-Sieg in Hannover – Chancenwucher.

Und so nahm die „eigenartige“ und phasenweise „wilde“ Partie ihren Verlauf. Nach einem Freistoß der Gäste fiel die Kugel im Strafraum Fred MC Mensah Quarshie direkt auf den Schlappen, der ihn oben links im Winkel zum 1:2 versenkte (47.). Dieser nächste Nackenschlag saß erneut. Weiche brauchte zur Reaktion eine Weile, hatte dann aber drei Möglichkeiten in kurzer Folge. Nach einem dynamischen Solo von Dominic Hartmann bis in die linke Strafraumhälfte klärte ein Hildesheimer vor dem einköpfbereiten Christopher Kramer zum Eckstoß (56.). Den führten Dominic Hartmann mit Marcel Cornils von der rechten Seite kurz aus, nach der Flanke unseres Kapitäns und Kopfball von Jonah Gieseler kratzten die Gäste die Kugel von der Linie, den gewaltigen Nachschuss von Tobias Fölster aus Nahdistanz blockten sie erfolgreich (56.). Wenig später traf Marcel Cornils den Ball aus acht Metern nicht richtig. Er setzte ihn über den Kasten (57.). Und in die hitzige Atmosphäre hinein beging Mohammad Baghdadi an der Seitenlinie in Nähe der Weiche-Bank ein überflüssig hartes Foulspiel an Patrick Herrmann. Schiedsrichter Alexander Roppelt zeigte „Gelb“, um den bereits verwarnten Hildesheimer folglich mit „Gelb-Rot“ zum Duschen zu schicken (59.).

Eine halbe Stunde Überzahl hatte unsere Mannschaft. Während die Gäste ihre Stürmer vom Platz nahmen und sich oft zu zehnt um ihren Strafraum versammelten, fielen den Schützlingen von Thomas Seeliger kaum noch Lösungen ein. Von Minute zu Minute nahmen Hektik und Ungenauigkeiten im Weiche-Spiel zu. Immer seltener wurde kombiniert. Vielmehr wurden viele lange Bälle an den Strafraum geschlagen, sodass kein wirkliches Aufbauspiel zustande kam. Daher mussten die tapfer sich verteidigenden Südniedersachsen nur zwei bange Momente überstehen. Den ersten Kopfball von Christopher Kramer bugsierte Torhüter Antonio Brandt gerade so über die Latte (76.). Beim zweiten Kopfball, diesmal nach Flanke von Kevin Njie von der linken Seite, verhinderte erneut die Torlatte den Einschlag (81.). Und so war es typisch, dass die Gäste noch den Deckel draufmachen konnten. SC-Torhüter Jesper Heim vertändelte am Fünfmeterraum die Kugel an Yusuf-Islam Akdas, der dann keine Mühe hatte, sie im leeren Tor zum 1:3-Endstand unterzubringen (90.+4).

Die auffälligsten Akteure der Gäste, die schon früh Hassan El-Saleh verletzungsbedingt ersetzen mussten (10.), waren Kapitän Yannik Schulze im defensiven Mittelfeld als Ordner des Spiels sowie die beiden Angreifer Moritz Göttel und Thomas Sonntag. Außerdem zeigte Fred MC Mensah Quarshie seine Qualitäten. Aus unserer Mannschaft konnten sich Dominic Hartmann vor allem mit vielen guten Offensivszenen und Christopher Kramer im Angriffszentrum mit hoher Präsenz die besten Noten verdienen. Ferner seien Patrick Herrmann und Jonah Gieseler genannt, die speziell vor der Pause eine starke rechte Seite bildeten.

Zum Abschluss der „englischen Woche“ ist unsere Mannschaft am 5. Spieltag in der Landeshauptstadt Kiel zu Gast. Am Sonntag, 21. August 2022, tritt sie ab 14 Uhr bei der U 23 der KSV Holstein im Citti-Fußball-Park am Steenbeker Weg an.

Weiche: Heim – Herrmann, Fölster (70. Schleemann), Njie, Pastor Santos (62. Rehfeldt) – F. Meyer (V/65. K. Schulz) – Gieseler, Nadj (V/87. Ryborg), Hartmann (Kap.), Cornils (85. Thomsen) – Kramer. Trainer: Seeliger.

Hildesheim: Brandt – Pläschke, Kalinowski, Rauch, Baghdadi (59. Gelb-Rote Karte) – Schulze (Kap.), Steinwedel (62. Engler/V) – MC Mensah Quarshie (89. Akdas), Hassan El-Saleh (10. Ady El-Saleh), Sonntag (62. Aytun) – Göttel (71. Dikarev). Trainer: Unger.

Tore: 1:0 Kramer (14.), 1:1 Göttel (34.), 1:2 MC Mensah Quarshie (47.), 1:3 Akdas (90.+4).

Zuschauer: 946, darunter etwa 20 Hildesheimer, im Manfred-Werner-Stadion, Flensburg-Weiche.

Schiedsrichter: Alexander Roppelt (VfL Bad Schwartau), hatte in der zweikampfintensiven und zuweilen hitzigen Partie ordentlich zu tun, schickte Baghdadi wegen wiederholten Foulspiels (40., 59.) mit „Gelb-Rot“ vom Platz, verteilte wegen Foulspiels „Gelb“ an F. Meyer (31.) und Nadj (83.) auf Flensburger sowie an Engler (84.) auf Hildesheimer Seite und zeigte zudem der Gäste-Bank wegen Reklamierens „Gelb“ (77.).

Trainerstimmen:

Der Hildesheimer Trainer Markus Unger sagte: „Nüchtern betrachtet, war es in der ersten Halbzeit ein ausgeglichenes Spiel. Anfangs hatte Weiche etwas mehr vom Geschehen. Da war die Führung verdient. Wir sind mit einem Traumtor von Moritz (Göttel/d. Red.) zum Ausgleich gekommen. Danach waren wir ebenbürtig, es war ein Spiel auf Augenhöhe. In der zweiten Halbzeit haben wir extremen Druck der Flensburger erwartet, aber es war gar nicht so viel. Wir gehen mit einem Supertor in Führung. Es war ein total unnötiges, gelbwürdiges Foul, das berechtigt zur Gelb-Roten Karte führte. Und dann musst Du hier brutal leiden und Glück haben. Es war persönlich mein erster Sieg gegen Flensburg überhaupt in nun zwölf Jahren. Ich muss absolut den Hut ziehen vor meinen Jungs, wie sie hier aufgetreten sind. Wir haben – glaube ich – nicht unverdient gewonnen. Dass wir heute die weiteste Fahrt auf einem Mittwochabend hatten, kommt noch hinzu. Wir werden jetzt schauen, dass wir gegen Lübeck die maximale Punktausbeute aus der englischen Woche holen. Wir haben eine coole Truppe, werden am Sonntag Gas geben und dem hohen Meisterschaftsfavoriten einen heißen Tanz bieten.“

Unser Trainer Thomas Seeliger sprach den Gästen Glückwünsche aus und meinte zum Spiel: „Wir hatten uns das heute ganz anders vorgestellt. Du gehst mit 1:0 in Führung und hast zwei 100-prozentige Torchancen. Da müssen wir das Spiel in eine andere Richtung lenken. Beim Ausgleich darf der Ball aus dem spitzen Winkel nicht ins Tor gehen. Damit holen wir eine agile Hildesheimer Mannschaft wieder ins Spiel zurück. Aus einer Standardsituation kassieren wir das 1:2. In dem Moment, als wir einen Spieler mehr auf dem Platz hatten, haben wir keine spielerischen Lösungen mehr gefunden. Wenn Du die eigenen Chancen nicht nutzt und so viele Fehler machst, dann darfst Du Dich auch nicht beklagen, wenn Du am Ende das Spiel verlierst. Hildesheim hat es gut gemacht, keine Frage, aber wir haben heute das nötige Salz dazugegeben, dass wir das Spiel verloren haben. Am Sonntag sind wir bei Kiel II zu Gast. Wir sind jetzt alle enttäuscht. Niederlagen gehören beim Fußball dazu. Wir müssen sie aufarbeiten und nach vorn blicken.“